Kunststoff hat sich im Laufe des zwanzigsten Jahrhunderts zu einem festen Bestandteil unseres Alltags entwickelt. Wir finden ihn gefühlt überall. Mal ist es die Nylonstrumpfhose, welche ein schickes Outfit für den Ausgehabend vervollständigt. Mal ist es der Organgensaft im Tetrapack aus dem Supermarkt, den man morgens zum Frühstück genießt. Doch auch viele elektronische Geräte wie Fernseher, Fön oder auch die Küchenmaschine bestehen oftmals zu unterschiedlich großen Anteilen aus Plastik verschiedenster Art. Einen regelrechten Plastikwahn kann man unter anderem in der Verpackungsindustrie finden, wenn beispielsweise in einer Packung Schokoladenkonfekt jedes einzelne Stück in eine eigene Plastikfolie eingepackt ist.
Das alles wäre ja prinzipiell auch gar nicht so schlimm, wenn Plastik nicht mehrere hundert Jahre brauchen würde, um abgebaut zu werden, falls dies überhaupt geschieht. Oder wenn unsere Meere nicht bereits voll von all dem Kunststoff wären. Und dort richtet es immensen Schaden an und wirkt sich fatal auf die Lebewesen aus. Problematisch ist zum Beispiel auch der Zerfall von Plastik in sogenannte Mikroplastikteilchen, die oftmals so groß sind, das man sie mit bloßem Auge kaum bis gar nicht mehr sehen kann. Diese werden dann von Fischen und anderen Meeresbewohnern unbewusst zu sich genommen. Größere im Meer herum schwimmende Kunststoffteilchen werden oftmals mit Nahrung verwechselt und führen bei wiederholter Aufnahme zu einem qualvollen Tod. Weitere Informationen rund um die Problematik findet man verständlich und knapp erklärt hier: www.wwf.de/themen-projekte/meere-kuesten/plastik/ Wer sich ausführlicher mit dem Thema auseinandersetzen möchte, dem sei der „Plastikatlas 2019“ empfohlen:
Ich habe die Problematik bereits in meinem Artikel über Zero Waste und Co. angesprochen und Lösungsansätze vorgestellt, um den Konsum zu reduzieren. Dort ging es vor allem darum, wie man zukünftig seinen Plastikverbrauch reduzieren kann. Doch was machen wir eigentlich mit all dem Plastikmüll, der bereits existiert und unsere Natur auf so fatale Art und Weise angreift? Auch wird wohl leider nicht jeder Mensch ein achtsames Verhalten bezüglich der Problematik an den Tag legen um den eigenen Kunststoffkonsum zu reduzieren, so dass adäquate Lösungsansätze immer wichtiger werden. Damit möchte ich mich heute beschäftigen und einige tolle Ideen, wie ich finde, vorstellen.
Viele Menschen glauben, das ihr Beitrag beispielsweise mit einer korrekten Trennung ihres Hausmülls bereits getan und ausreichend ist. Der getrennte Plastikmüll wird dann ganz einfach recycelt und beim nächsten Einkauf sehen wir ihn dann in Form einer Duschgel-Flasche oder Getränkedose wieder und der Kreislauf beginnt von vorne. Thema erledigt und war doch auch gar nicht schwer, oder? Es wäre in der Tat schön, wenn es so einfach wäre, doch leider ist dies nicht die Realität. Denn in Deutschland wird nur weniger als ein Drittel unseres Plastikmülls überhaupt recycelt (www.europarl.europa.eu/news/de). Ich habe dazu unterschiedliche Quellen gefunden. So zum Beispiel, das weltweit des seit 1950 produzierten Plastiks lediglich 9% recycelt wurden und nur 10% davon mehr als ein Mal. 12% wurden verbrannt und 60% wurden entweder auf auf Mülldeponien oder direkt in der Natur entsorgt (advances.sciencemag.org). Die wirklich geringe Recycling-Zahl wurde 2018 sogar Statistik des Jahres und ich finde es ziemlich erschreckend, wie wenig überhaupt wiederverwertet wird.
Recyclen ist aber auch gar nicht so einfach, wie zumindest ich es mir früher immer vorgestellt habe. Es gibt unterschiedliche Plastiksorten, die unterschiedlich recycelt werden können, manche davon auch gar nicht. PET eignet sich zum Beispiel für geschlossene Kreisläufe in denen Recycling und Wiederverwendung gut möglich wäre. Wobei dies nicht immer so umgesetzt wird wie in der Theorie möglich und auch nicht immer in gleicher Qualität. Oft wird nämlich das sogenannte „Downcycling“ betrieben, bei dem beispielsweise aus PET-Einwegflaschen Textilfasern für die Kleidungsindustrie hergestellt werden und dabei an Qualität verlieren. Leider ist es oftmals auch günstiger, den Plastikmüll zu verbrennen, als ihn zu recyclen, weswegen zu dieser Methode gegriffen wird. Und nicht jeder Kunststoffmüll gelangt auch an die richtige Stelle, beispielsweise bei unwissentlich falscher Mülltrennung, um recycelt zu werden. Diese und viele weitere Faktoren (www.stern.de/panorama/weltgeschehen/wird-mein-plastik-muell-recycelt), sorgen u.a. für im Vergleich eher seltene Recyclingprozesse.
Ein neuer Ansatz des Recyclings soll mit dem sogenannten LCC Enzym geschaffen werden. Es gelang Wissenschaftlern der Universität Toulouse PET mithilfe dieses Enzyms so abzubauen, das man am Ende aus beiden Bestandteilen eine PET Flasche herstellen konnte. Diese stand einer nicht recycelten PET Flasche qualitativ in nichts nach. Das Enzym wurde bereits 2012 von japanischen Forschern in Komposthaufen entdeckt und sorgt in seiner natürlichen Umgebung dafür, das die wachsähnliche Schicht auf Blättern bricht. Ein Problem des ursprünglichen Enzyms war jedoch, das es bei 65 Grad Celsius zerfiel und sehr langsam arbeitete. Das Wissenschaftlerteam veränderte das Enzym so, das es auch bei der Schmelztemperatur von PET bei 72 Grad noch stabil ist und wirkt. Auch die Effektivität konnte durch Modifikation signifikant erhöht werden, so das nun etwa 200 Gramm PET innerhalb von 10 Stunden um 90% zersetzt werden können. Man möchte das Enzym zukünftig in hohen Mengen auf dem Markt bringen. Es wäre eine Innovation, die zu deutlich mehr Recyclingprozessen führen und somit eine Entlastung für die Umwelt bedeuten könnte. Wenn also beispielsweise eine PET-Flasche so recycelt werden kann, das es am Ende eine gleichwertige PET-Flasche entsteht, dann wäre somit ein nicht endender Kreislauf geschaffen und weniger neues PET würde produziert werden (Absatz: golem.de/news/plastikmuell-veraendertes-enzym-recycelt-kunststoff).
Eine Kreislaufwirtschaft, die auf ähnlichen Grundgedanken basiert, ist das sogenannte „Cradle-to-Cradle“ (kurz C2C) Konzept. Übersetzt „von der Wiege in die Wiege“ gibt es das Verfahren bereits seit den 90er Jahren. Es hat die Idee des echten Recyclings inne und das Denken in Kreisläufen nach dem Vorbild der Natur. Denn in der Natur wird alles verwertet und nichts ist Abfall. Bei dem Konzept wird in biologische und technische Kreisläufe unterteilt. Die Kreisläufe sind geschlossen, was bedeutet, das Produkte entstehen, die nach Gebrauch wiederverwertet bzw. weiterverwendet werden können, so das zu keiner Zeit Abfall entsteht. Natürliche bzw. organische Stoffe wie Textilfasern (z.B. Baumwolle) können biologisch abgebaut werden, technische Stoffe werden durch chemische oder mechanische Prozesse aufbereitet und wiederverwendet. Sie werden dabei in ihre einzelnen ursprünglichen Bestandteile zerlegt. Wichtig hierbei ist, das die verwendeten Materialien keine Giftstoffe oder Schwermetalle enthalten, da sie so der Umwelt schaden. Auch müsste man die verwendeten Produkte theoretisch nach Gebrauch an den Hersteller zurückgeben, damit er sie nach dem C2C aufbereitet. Es ist nicht zwingend notwendig, beide Kreisläufe miteinander zu verbinden. Jedoch ist es nicht ausgeschlossen und wird auch häufig angewandt. Die Herausforderung bei dieser Kreislaufwirtschaft ist es, die richtigen Verbindungen, Materialien und Stoffe zu finden, welche zusammen funktionieren und die Voraussetzungen wie beispielsweise die angesprochene Verwertbarkeit nach Nutzungsende erfüllen. Denn so einfach wie es zumindest für mich auf den ersten Blick klingt, ist es nämlich gar nicht. Wenn die Umsetzung jedoch klappt, dann ist es eine wirklich runde Sache. (Abschnitt siehe: zeit.de/zeit-wissen/2013/01/Cradle-to-Cradle-Recycling-Abfall).
Schaut man sich die beiden Kreisläufe an, so ist der Zusammenhang zur Plastikproblematik auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz so offensichtlich. Doch die Idee ist, u.a. auch Kunststoffe im technischen Kreislauf so zu verwenden und aufzubereiten, das sie nach dem Ende ihres ersten Lebens ohne Qualitätseinbuße weiterverwendet werden können und nicht weggeworfen werden.
Ich habe jetzt zwei vielversprechende Ansätze für Recycling angesprochen die vielleicht bei stetiger Weiterentwicklung zukunftsweisend sein könnten. Doch dem bereits bestehendem Problem des Plastiks im Meer wird damit nicht geholfen. Hier muss man traurigerweise sagen, das viele Kunststoffteile wohl auf immer in unseren Ozeanen verloren sind, besonders jene, welche zu tief auf den Meeresboden gesunken sind, und dort ihren Schaden anrichten. Um sich dieses Problems anzunehmen, hat der Niederländer Boyan Slat bereits 2013 das Projekt „The Ocean Cleanup“ ins Leben gerufen und mit einem Team aus Wissenschaftlern, Ingenieuren und Forschern ein Prinzip entwickelt, das den umher schwimmenden Müll einfängt (theoceancleanup.com).
Es handelt sich je nach eingesetztem System um einen hundert bis zukünftig mehrere hundert Meter langen Schwimmkörper, der aus Rohren aufgebaut ist. Das System ist U-förmig angeordnet und agiert nach unten hin wie ein Netz, mit dem das Plastik einfangen wird. In regelmäßigen Abständen sammeln Boote den angesammelten Müll auf, der letztendlich sinnvoll recycelt werden soll. Es gab bisher einige Prototypen und anfängliche Probleme, als sich beispielsweise ein 18 Meter langes Rohrstück gelöst hatte. Von Juni bis November letzten Jahres sammelte der „Meeresstaubsauger“ aber fleißig Müll ein. Die Funktionsweise kann man sich in diesem Video youtube.com nochmal detaillierter ansehen.
An zukünftigen Aktionen, Vergrößerungen und Verbesserungen wird derzeit gearbeitet. Die Funktionsweise des Systems soll Meeresbewohner nicht gravierend tangieren, sollten sie in den Bereich innerhalb des Staubsaugers geraten, da sie einfach darunter hindurch in die Freiheit schwimmen können. (theoceancleanup.com). Dennoch gibt es vereinzelt Kritik, da Organismen wie beispielsweise ein Neuston, welche an der Wasseroberfläche leben, davon ausgeschlossen sind. Jedoch soll sich ein Neuston schnell genug reproduzieren können und es sei laut Verteidiger fataler das Plastik im Meer zu belassen um gegebenenfalls nicht versehentlich solch schwimmende Organismen einzufangen (theatlantic.com/science/archive/2019/01/ocean-cleanup-project-could-destroy-neuston, theoceancleanup.com/updates/the-ocean-cleanup-and-the-neuston).
Welche langfristigen Auswirkungen das Projekt auf die Ozeane, seine Bewohner und die noch großen Mengen an Müll hat, wird sich erst noch zeigen. Ich finde es grundsätzlich jedoch gut, das man hier in großem Stil versucht, sauberzumachen. Richtig toll wäre es natürlich, wenn kein neuer Müll mehr dazukäme.
Von Recycling über abfallfreie Kreislaufwirtschaften bis hin zu großflächigen Meeressäuberungen habe ich natürlich nur ein paar exemplarische Beispiele vorgestellt. Der Ideenreichtum und die Notwendigkeit bezüglich der gesamten Thematik sind jedoch weitaus größer und werden wohl auch in Zukunft noch präsenter werden. Habt ihr denn schon mal Berührungen mit der Problematik gehabt oder vielleicht von tollen Lösungsansätzen gehört, die sich damit beschäftigen? Erzählt mir doch gerne davon.